Angst essen Seele auf

Kreuzwort vom 05.04.2025

So lautete 1974 ein Filmtitel von R.W. Fassbinder. Dieser Titel hat in mir eine starke innere Resonanz ausgelöst. Es geht um Angst und ihre gefährliche Wirkung. Die Seele kann durch sie beschädigt werden. Angst zählt nach Paul Ekmann zu den 7 menschlichen Grundgefühlen: Wut, Ekel, Verachtung, Freude, Trauer, Angst, Überraschung

Fällt Ihnen etwas auf? Freude ist die einzige positive Grundemotion. Angst, Trauer, Ekel, Verachtung und Wut sind negativ, Überraschung neutral. Irgendwie ist das wie eine Ampel. Wenn man froh ist, ist sozusagen „grünes Licht“. Man kann einfach so weitermachen. Bis die Ampel auf Rot springt: bei Ärger, Wut, Trauer oder eben auch Angst. Dann müssen wir innehalten, Nachdenken … Wie nun umgehen mit der Angst?

Wenn wir ihr nicht bewusst begegnen kann sie uns tatsächlich in unserem Innersten zerstören. Angst ist  nicht per se negativ. Rein evolutionsbiologisch haben wir mit ihr sogar eine Art WarnApp: als Menschentiere neigen wir dazu, Störendem mehr Aufmerksamkeit zu schenken als dem, was gut läuft. Deshalb sind die Nachrichten so negativ, und deshalb denkt man viel länger über eine schlechte als über eine gute Erfahrung nach. Das heißt: Irgendwie sind wir Menschen schief in die Welt gestellt. Das machte damals durchaus Sinn, als das kleinste Rascheln eines Säbelzahntigers den Tod bedeuten konnte. Macht es das heute noch? Verführt es uns nicht zu übermäßiger Angst? Und diese Verführung lässt uns nicht in Würde frei und verantwortlich leben. Freiheit und Verantwortung heißt dann: Ich kann mich zu meinen Ängsten so oder so stellen. Habe ich Angst, oder hat die Angst mich? In dieser evolutionsbiologischen Schieflage habe ich die Freiheit mich aufzurichten. Was könnten Ankerpunkte sein, an denen ich mich hochziehen kann?

An der christlichen Tradition hat mich schon früh fasziniert, dass der „allmächtige“ Gott eben kein Gott ist, der mir alles abnimmt, der Magier des Lebens. Für Kinder ist das eine Zeitlang so. Im Übergang zum Erwachsenwerden wird aber deutlich: Leben und auch Glauben funktionieren so nicht. Es gibt die tragische Trias von Leid, Schuld und Scheitern. In der Zeit vor Ostern setzen wir uns genau damit auseinander. Jesus zeigt uns einen Gott, der in die menschliche Angst, in Leiden und Scheitern hineingeht. Er scheut davor nicht zurück. Auch die damaligen Jüngerinnen und Jünger haben diese Trias erlebt. Auch sie sind durch diese Ängste hindurch gegangen.

Immer wieder gibt es Hinweise wie Jesus zu den verängstigten Jüngern hinzutritt. Er zeigte ihnen seine Wunden, sie erkennen ihn daran und während er ihnen den Frieden zuspricht, wird ihr Herz mit Freude erfüllt. Auch unsere Verwundungen und Ängste dürfen sein. Aber es gilt, dabei nicht stehen zu bleiben. „Ich bin halt so!“ Sie spüren: Gott ist nicht allmächtig, aber in allem mächtig. Trotz unserer Schieflage gibt es die Freude.

Wäre das nicht ein guter Ankerpunkt, um aus der bestehenden Schieflage herauszukommen? Dem bestehenden Negativen, den Ängsten die Trotzmacht des Geistes entgegenstellen und gezielt nach Freude und Dankbarkeit zu suchen?

Dr. Peter Müller